Nachdem wir die südlichste Stadt Chinas erreicht hatten, mussten wir uns wieder auf den Weg Richtung Norden machen… Bis Ende Januar mussten wir nämlich Hong Kong erreichen, um von dort nach Taiwan zu fliegen. Die Route führte zuerst der Ostküste Hainans entlang zurück nach Haikou, danach über die Leizhou-Halbinsel gegen das Perlfluss-Delta.
Sanya – Dongguan | 29.12.2024 – 24.01.2025 | 1076,74 km | 4070 hm
Nach einem entspannten Pausentag in Sanya machten wir uns auf den Weg, der Ostküste entlang wieder zurück nach Haikou zu radeln. Da wir an der Westküste oft Rückenwind hatten, bedeutete dies meistens Gegenwind auf der anderen Seite. Die Strasse führte oft direkt am Meer entlang und bot somit kaum Schutz vor dem Wind. Die traumhaften Strände, die wir antrafen, entlöhnten aber die Anstrengung.
Am ersten Tag fuhren wir immer noch durch sehr touristische Gebiete und wir waren beeindruckt von den riesigen Hotelanlagen, die die Küste säumten. Trotz des dichten Verkehrs war die Fahrt angenehm und wir hatten am Abend ein tolles Appartement mit Blick auf das Meer. Am nächsten Tag folgten wir wie immer den Schildern des Coastal Highways, jedoch gerieten wir – nach einer schönen Fahrt – in eine Sackgasse, denn plötzlich endete die Strasse an einer Autobahnauffahrt und es gab keinen anderen Weg mehr… Zwei andere Radfahrende waren ebenfalls schon dort und standen vor dem gleichen Problem. In China ist das Fahrradfahren auf der Autobahn verboten, und wer erwischt wird, riskiert eine Geldstrafe. Zurückzufahren hätte zudem eine Ewigkeit gedauert. Das andere Paar hatte bereits einen Minibus bestellt, und wir entschieden, dasselbe zu tun. Als der andere Minibus jedoch ankam, hatten wir das Gefühl, dass noch Platz für uns beide und unsere Fahrräder im Laderaum war. Also kam es, dass wir mit vier Fahrrädern, all unseren Taschen die knapp 11 Kilometer Autobahn im Laderaum des Transporters zurücklegten. Am Riyue-Beach, einem der bekanntesten in ganz Hainan, wurden wir abgeladen und wir radelten die restlichen Kilometer in unsere Unterkunft.


Am nächsten Tag, dem 31. Dezember, meldete sich zum ersten Mal auf unserer Reise mein Knie – dasjenige, das 2012 einem vietnamesischen Busfahrer zum Opfer fiel – mit Schmerzen. Somit fiel die Tagesstrecke eher kurz aus und wir feierten Silvester in einem kleinen Fischerdorf. Nach der Ankunft machte ich im Hotelzimmer den Ölwechsel an unseren Rohloff-Naben, welcher immer nach 5000km fällig ist. Wir assen anschliessend ein leckeres Meeresfrüchte-Nachtessen, gingen kurz nach 22 Uhr schlafen und wurden um Mitternacht von einem bescheidenen Feuerwerk geweckt, aber wir schliefen gleich wieder ein. Am nächsten Tag ging’s schliesslich auch schon weiter. Das Wetter war etwas kühler als die Tage zuvor und auch am Tag darauf zogen wir unsere Buffs über den Kopf, um die Ohren vor dem kalten Wind zu schützen.
Immer noch genossen wir jeden Tag spektakuläre Ausblicke auf die imposante Küste. Auch an der Ostküste fuhren wir an vielen riesigen Bauprojekten vorbei. Einige davon schienen schon seit Jahren aufgegeben worden zu sein und blieben als Rohbauten dem Verfall überlassen. Sehr kurios! Von der Stadt Wenchang aus, berühmt für das Hähnchen-Gericht und den Weltraumbahnhof, verliessen wir die Ringstrasse und fuhren in zwei Tagen direkt in Richtung Haikou. Wir planten, in Haikou zwei ganze Tage Pause zu machen… Seit Hanoi hatten wir jeweils immer nur einen Tag Pause gemacht, und wir merkten, dass unsere Muskeln mal etwas länger Ruhe benötigten. Nach 13 Tagesetappen und 2 Pausentagen hatten wir die Insel Hainan, mit Ausnahme eines kleines Teils im Nordosten, komplett umrundet (Link zur Karte). Dabei legten wir 840,40 Kilometer zurück und überwanden 2980 Höhenmeter. Besonders toll an der Runde war einerseits das warme Wetter und die tollen Strassen, andererseits die vielen Radreisenden zu treffen und mit ihnen teilweise ein Stück weit zu fahren.
Nach schlussendlich drei Tagen Pause in Haikou – ich hatte wiedermal Alarm im Darm… – mussten wir uns auf den Weg zurück auf das Festland machen. Dazu wollten wir die Fähre vom älteren der zwei Häfen in Haikou nehmen, welcher ganz in der Nähe unseres Hotels lag. Wir radelten zum Hafen und waren erfreut, dass die ganze Prozedur dort viel einfacher war als auf dem Hinweg. Die Fähre legte trotz Nebel pünktlich ab und knapp zwei Stunden später waren wir wieder auf dem Festland. Besonders toll war, dass wir unsere Räder neben den Autos parkieren konnten und wir keine Treppen hoch und runter mussten. Also eine Empfehlung für alle Radreisenden, die von China her nach Hainan reisen: Unbedingt die alte Fähre von Hai’an aus nehmen! Nach der Fährfahrt waren wir wegen den chinesischen Tabletten gegen Reisekrankheit (die See ist in dieser Gegend ziemlich unruhig) sehr müde, weshalb wir nicht mehr weit fuhren und diese Tagestour kurz blieb.
Der nächste Tag war besonders, da wir eine grosse Strecke auf der gleichen Strasse fuhren, auf der wir vor ein paar Wochen nach Hainan gefahren waren. Viele Orte kamen uns bekannt vor und wir assen im selben Restaurant, wo wir schon zwei mal gegessen hatten (in Longmen). Auf dem letzten Abschnitt der Strecke schlugen wir dann eine neue Richtung ein und wir fuhren in die Stadt Leizhou, nach welcher die Halbinsel benannt ist.
Wir genossen jeden Tag einen wunderschönen blauen Himmel ohne Wolken, aber am Morgen war es jeweils recht kalt. Auch tagsüber war es im Schatten oder bei Wind recht frisch. Von Leizhou aus fuhren wir ostwärts in Richtung der Megastadt Guangzhou. In Zhanjiang mussten wir eine Brücke überqueren, auf der das Radfahren verboten war. Wir wollten eigentlich schon eine Mitfahrgelegenheit organisieren, aber der Fahrer versicherte uns am Telefon, dass wir mit dem Velo auch selbst über die Brücke fahren können. So wagten wir es und abgesehen von einer kleinen Schelte an der Mautstelle auf der anderen Seite hat es auch gut geklappt. Die Strecke war abgesehen von diesem Brücken-Abenteuer wenig abwechslungsreich, da wir meistens auf der Hauptstrasse fuhren. So machten wir auf diesem Abschnitt auch wenig Fotos. Auffallend war, dass in China praktisch jedes neuere Auto ein Elektroauto war. Auch die Roller, die überall zu sehen sind, waren fast immer elektrisch und es gab in jedem Dorf mindestens einen Elektroroller-Händler, in Städten sogar gefühlt an jeder Strasse einen. So waren die Strassen (im Vergleich zu vorherigen Reisen) viel leiser und die Luft auffallend angenehm zum Atmen. Natürlich donnerten aber immer noch viele LKW und andere Gefährte an uns vorbei, teilweise mit sehr schwarzen Abgasen 😉 Aber auch dort: Viele Lieferwagen und LKW waren auch elektrisch unterwegs… Es war sehr interessant zu sehen, wie weit fortgeschritten die Elektromobilität in China bereits ist.
Nach fast einer Woche mehrheitlich ereignisloser Fahrt auf dem langweiligen Highway Richtung Guangzhou erreichten wir die Region um Kaiping. Dort waren wir schon 2019 mit dem Rucksack unterwegs und es war ein sehr spezielles Gefühl, diese Stadt dieses Mal mit dem Fahrrad zu erreichen. In der Gegend findet man sogenannte Diaolou, sehr eindrückliche und spannende Bauwerke, welche vor gut 100 Jahren (oder noch früher) gebaut wurden. In dieser Zeit war China sehr turbulent und diese Türme wurden gebaut, um sich vor Überfällen von Banditen zu schützen.
Auch die Landschaft war sehr schön und es war eine nette Abwechslung, wieder Mal auf ruhigen Nebenstrassen zu fahren.
Auch am nächsten Tag auf unserer Weiterfahrt trafen wir noch auf vereinzelte, meistens verlassene Diaolou. Was anfänglich noch eine malerische Flusslandschaft war, wandelte sich immer mehr in eine urbane Betonwüste. Wir hatten das Perlfluss-Delta erreicht. Das Perlfluss-Delta ist eine der grössten Wirtschaftsräume der Welt und beinhaltet verschiedene Städte, die zu einer Mega-Stadt verschmolzen sind. Etwa 70 Millionen Menschen (!!) wohnen dort. Es versteht sich von selbst, dass dort das Radfahren nicht wahnsinnig attraktiv war. Die Strassen waren riesig und der Verkehr dicht. Erschwerend kam dazu, dass es etliche Wasserwege gab, jedoch nicht viele Brücken, wo das Radfahren erlaubt war. So mussten wir viele Umwege fahren und manchmal klammheimlich das Fahrverbot ignorieren, um vorwärts zu kommen. Im Stadtteil Panyu von Guangzhou – der drittgrössten Stadt Chinas, die im Westen auch unter dem Namen Kanton bekannt ist – entschieden wir uns, zu der Humen-Brücke zu fahren und dort den Perlfluss mit einem Taxi zu überqueren. Leider gab es keine Fähre und die meisten Brücken sind Autobahnen, auf welchen wir mit unseren Rädern nichts zu suchen hatten. Eine Route ohne Fähre oder Taxi hätte fast 200km Umweg bedeutet, und darauf hatten wir keine Lust.
Von Humen aus war es noch eine Tagesetappe bis zu unserem Etappenziel in Tangxia, einem Bezirk der Stadt Dongguan. In 104 Tagen sind wir von Singapur aus 6026km gefahren und haben dabei 20382 Höhenmeter überwunden. In Dongguan konnten wir unsere Fahrräder bei Vivis altem Arbeitgeber für eine Weile parkieren und somit war diese Stadt der Abschluss der ersten grossen Etappe von Singapur bis nach Hong Kong. Genau genommen sind wir also nicht bis nach Hong Kong, sondern nur bis Dongguan gefahren, aber wir organisierten dies so, da wir dort einen sicheren Parkplatz für unsere Räder hatten. Ausserdem konnten wir dort auch all unsere Taschen zwischenlagern, so dass wir mit leichtem Gepäck weiterreisen konnten. Dazu konnten wir noch ein paar Tage im Arbeiter-Wohnheim kostenlos übernachten und konnten sogar gratis essen. Super nett 🙂

Von Dongguan aus war es noch eine kurze Fahrt mit dem ÖV nach Shenzhen. Von dort überquerten wir die Grenze nach Hong Kong.
Wie geht es nun weiter?
Wir machen jetzt eine längere Pause, sozusagen Urlaub von der Reise. Wir werden für das Chinesische Neujahr nach Taiwan fliegen, dort mit der Familie feiern und uns erholen. Danach werden wir nach Hong Kong zurückkehren und von dort aus unsere Reise fortsetzen. Voraussichtlich werden wir Ende Februar 2025 weiter radeln… Um nicht zu verpassen, wann der nächste Beitrag kommt, empfehlen wir, unseren Newsletter zu abonnieren.
Von daher: 新年快樂 (Frohes neues Jahr) und bis bald!

Vielen Dank für den interessanten Bericht über eure Reise.
Dann wünschen wir euch einen schönen Urlaub und freuen uns schon auf weitere tolle Bilder und Berichte.
LG von uns
Susanne und Erich
Happy Chinese New Year!
Vielen Dank für diesen Klasse Reisebericht, wünsche Euch alles Gute für eure Reise!