Auf der Flucht vor dem kalten und tristen Wetter machten wir auf dem Weg nach Hong Kong einen Umweg in den Süden zum ‚Hawaii von China‘, welches über 300 Sonnentage pro Jahr geniesst: Die Insel Hainan!
Dong Xing – Sanya | 09.12.2024 – 28.12.2024 | 1002,44 km | 4100 hm
In China anzukommen ist wie auf einem anderen Planeten zu landen. Die Eindrücke, die man auf den Strassen, in den Städten und bei der Begegnung mit den Menschen gewinnt, sind überwältigend. Die Kultur und die Mentalität der Menschen sind so anders, dass man fast das Gefühl hat, in eine völlig andere Welt einzutauchen. Zu unserem grossen Glück kamen wir mir Sprachkenntnissen und Reiseerfahrung nach China. Das letzte Mal waren wir 2019 in diesem Land und wir waren gespannt, wie es sich in den letzten fünf Jahren verändert hatte. Es dauerte nicht lange, als wir das erste lustige Schild (siehe Titelbild) fanden, also war immerhin das noch gleich wie vorher 😀
In Dongxing haben wir einen Ruhetag gemacht, um ein paar organisatorische Angelegenheiten für China zu erledigen. Die erste Etappe in China sollte uns bis Ende Januar bis nach Hong Kong führen. Da bis dahin noch recht viel Zeit zur Verfügung stand, hatten wir im Sinn, einen Umweg auf die Insel Hainan zu machen, um noch ein paar wärmere Tage zu geniessen. Ursprünglich war ein Abstecher in den Norden Vietnams geplant, aber da mein Visum für Vietnam ablief und das Wetter ebenfalls ungünstig war (kalt!), haben wir uns zugunsten des deutlich wärmeren Hainan entschieden.
Am nächsten Morgen fuhren wir bei Regen und einem frischen Wind los. Wir genossen den perfekten Asphalt auf einem breiten Fahrradweg und wir erreichten die nächste Stadt, Fangcheng, ohne Probleme. Wir erhielten ein gratis Zimmerupgrade und konnten die Fahrräder direkt im Zimmer parkieren. Am Abend assen wir Kao Yu, eine Spezialität, die aus einem gegrillten Fisch besteht, der dann in einer scharfen Suppe mit Gemüse und anderen Zutaten serviert wird.
Am nächsten Tag fuhren wir, wieder bei Regen, weiter. Wir fuhren durch einen „grünen Tunnel“: Links und rechts von der Strasse waren viele hohe Bäume, so dass wir keine Ahnung hatten, wo wir uns im Moment befanden. Am Abend hielten wir in einem Dorf namens Na Li, und die Ankunft eines Ausländers war dort ein (vermutlich) noch nie da gewesenes Spektakel. Weiter ging es am nächsten Morgen, dieses Mal ohne Regen aber immer noch mit eiskaltem Wind, in die Stadt Beihai. Der Plan war, von dort aus die Fähre nach Haikou – die Hauptstadt Hainans – zu nehmen. Dumm nur, dass aufgrund des schlechten Wetters die Fähre nicht fuhr und wir informiert wurden, dass das nächste Schiff erst in fünf Tagen ablegen würde. Wir mussten somit einen unerwarteten Pausentag einlegen, um einen neuen Plan auszuhecken. Der andere Hafen mit einer Fähre lag etwa 300km entfernt auf der Leizhou-Halbinsel, also auch etwa 5 Tage entfernt. Somit hatten wir die Wahl: Fünf Tage warten oder fünf Tage fahren…
Wir entschieden uns, zum anderen Hafen zu fahren. Eine fünftägige Pause erschien uns – auch wenn sie verlockend war – etwas zu übertrieben. Leider war das Wetter nach wie vor total räudig. Trotzdem machten wir uns auf den Weg auf die Leizhou-Halbinsel. Wir planten unsere Routen so, dass wir jeden Abend in ein Hotel einchecken konnten, obwohl wir eigentlich gerne mal das Zelt in Betrieb nehmen wollten. In China haben nicht alle Unterkünfte eine Lizenz, Ausländer zu beherbergen, was eine sorgfältige Planung der Tagesetappen erforderte. Die Leute waren uns gegenüber überaus freundlich und aufgeschlossen. Auch die Leute an den Polizeicheckpoints, die wir zwischendurch passieren mussten, waren freundlich und interessiert, was wir tun. Kurz nach Beihai fuhren wir von der Provinz Guangxi in die Provinz Guangdong. Da ein grosser Teil unserer Reise durch China führen wird, ist die Überquerung einer Provinzgrenze fast so, wie wenn man in ein anderes Land fahren würde… Zum Beispiel: Wenn Guangdong ein eigenständiges Land wäre, wäre es mit über 126 Millionen Einwohnern eines der bevölkerungsreichsten Länder der Welt und würde mit einer Fläche von rund 180000 km² etwa der Grösse Syriens entsprechen, oder der Hälfte Deutschlands. Wirtschaftlich wäre Guangdong eine globale Supermacht mit einem BIP, das vergleichbar mit Ländern wie Südkorea oder Australien ist, und als Exportgigant würde es viele Nationen übertreffen.
Am sechsten Fahrtag kam dann endlich der Wetterwechsel und es war wieder bedeutend wärmer. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft in China sahen wir die Sonne! Dies war sehr gut für die Moral und wir kamen sehr flott voran. Endlich sahen wir auch mehr von der umliegenden Landschaft. Einziger Dämpfer war der Platten, den wir an Vivis Hinterrad flicken mussten. Dieses Rad ist widerspenstig zum Wiedereinbauen und erfordert deshalb etwas Geduld und Nerven. Gut war, den Reifen zu kontrollieren: Neben dem kleinen Holzsplitter, der das Loch verursacht hatte, zog ich auch noch einen Draht und eine Glasscherbe aus dem Reifen. Am Ende des Tages waren wir am nördlichen Ende der Halbinsel. Am nächsten Tag fuhren wir direkt gegen Süden und genossen perfektes Fahrradwetter. Der Weg führte durch kleine Dörfer und über riesige Felder, hauptsächlich Zuckerrohr und Süsskartoffeln. Als wir durch eine kleine Stadt fuhren, sahen wir am Strassenrand über 100 (wir haben gezählt) parkierte Lastwagen, die mit Zuckerrohr beladen waren. Wir fanden heraus, dass sich in dieser Stadt eine Zuckerfabrik befand, und die Lastwagen dort ihre Ladung ablieferten. Sehr interessant und eindrücklich! Wir fragten uns, wie lange der hinterste Chauffeur wohl warten musste, bis er dran war…
Langsam arbeiteten wir uns in den Süden der Halbinsel. Das Wetter war jeden Tag super zum Radfahren und die Strassen waren grösstenteils in perfektem Zustand. Landschaftlich war es recht interessant: Wir fuhren durch riesige Landwirtschaftsflächen, dann aber wieder über sanfte Hügel und durch schöne Wälder. Am letzten Tag vor der Fähre folgten wir vorallem der Hauptstrasse. Etwa 5km vor dem Fährhafen begann ein riesiger Stau. Zum Glück konnten wir uns an den etlichen LKW und Autos vorbeischlängeln und erreichten den Hafen ohne grössere Verzögerung. Das Ticket war schnell gelöst und die Fähre sollte 30 Minuten nach unserer Ankunft am Hafen ablegen. Leider wurde uns bei der Sicherheitskontrolle unsere fast volle Gaskartusche abgenommen, die wir seit Singapur dabei hatten. Da der Wind zu stark war, legten wir mit 2 Stunden Verspätung ab und kamen in der Dunkelheit in Haikou, der Hauptstadt Hainans, an.
Entgegen dem, was uns beim Betreten des Schiffs gesagt wurde, mussten wir das Schiff über das obere Deck verlassen. Das bedeutete, dass wir all unser Gepäck abnehmen und, inklusive der Räder, eine Treppe hochtragen mussten. Das taten wir und stellten uns brav in die Schlange. Als wir das Schiff verlassen wollten, wurde uns jedoch mitgeteilt, dass wir die Gangway nicht benutzen dürfen, und wir wurden an einen anderen Ort geschickt. Dort standen wir vor einer langen und engen Treppe. Darauf hatten wir allerdings überhaupt keine Lust, und der Mann vor Ort war alles andere als hilfsbereit. Schliesslich wurden wir zu einer weiteren Treppe geführt, über die wir erneut alles heruntertragen mussten. So verliessen wir die Fähre als Letzte … Im Dunkeln fuhren wir zu unserem Hotel, welches zum Glück nicht weit vom Hafen entfernt lag. In Haikou machten wir einen Pausentag.
Nach unserem gemütlichen Pausentag in einem schönen Appartement machten wir uns auf den Weg: Unser Plan war, die Insel einmal gegen den Uhrzeigersinn zu umrunden. Als erste Station wollten wir nach Lingao. Dort hatten wir mehrere Päckli, welche wir bei der Mutter eines Kollegen abholen wollten – unter anderem das Fahrradschloss von Vivi, welches wir im Hotel in Nali vergessen hatten. Unterwegs trafen wir einige Radfahrende: Die Umrundung Hainans mit dem Fahrrad ist bei Chinesen und Chinesinnen sehr populär, und allgemein ist Hainan eine beliebte Destination reicher Leute, die vor dem kalten Winter im Norden fliehen. Ausserdem ist es auch ein sehr populäres Reiseziel von (reichen) Russen, so dass viele Strassenschilder in den Städten sogar auf Russisch angeschrieben sind.
Zwei junge Männer mit Rennvelos schlossen sich uns für den Weg nach Lingao an, obwohl wir viel langsamer als sie waren. Einzig auf unbefestigten Strassen waren wir mit unseren breiten Reifen im Vorteil. Am Abend lud uns die Mutter unseres Kollegen zum Nachtessen ein und kochte zehn verschiedene Gerichte für uns. Sehr lieb, aber viel zu viel! In unseren Päckli fanden wir unter anderem neue Sonnenbrillen, ich hatte auf der Reise bis zu diesem Zeitpunkt schon zwei Paare kaputt gemacht…
Am nächsten Tag stellten wir mit über 90km an einem Tag einen neuen Rekord auf! Das Wetter war angenehm warm und wir genossen die Sonne sehr, so dass das Radeln entlang des Meeres sehr locker vonstatten ging!
Wir fuhren grösstenteils auf der nagelneuen, 998km langen Ringstrasse und genossen den perfekten Belag. Ausserdem gab es fast überall einen breiten Streifen für Zweiräder, was ein toller Gegensatz zu Vietnam darstellte… Endlich nicht mehr mit Todesangst radeln 😉 Das Wetter war perfekt: Meistens war der Himmel leicht bedeckt und die Temperaturen angenehm. So fuhren wir der Küste entlang gegen Süden. Manchmal verliessen wir den Hainan Coastal Scenic Highway und fuhren etwas landeinwärts. Auch dort fanden wir kleine Dörfer und schöne Landschaften.
Es schien so, als ob Hainan sich überall auf grosse Touristenmassen vorbereitet. Überall wurde gebaut und entlang der neuen „Touristenstrasse“ gab es zwischen den Städten noch kaum Infrastruktur. Teilweise war es fast schwierig, ein Restaurant zu finden. Auch deshalb verliessen wir zwischendurch den Coastal Highway, um etwas leckeres Essen zu gehen. Teilweise trafen wir grosse Reisegruppen, die zusammen die Insel mit dem Fahrrad umrundeten, darunter auch viele Rentnerinnen und Rentner. Chapeau, immerhin ist die Runde fast 1000km lang!
Das tolle Wetter und das entspannte Fahren spornte auch uns zu Höchstleistungen an: Nachdem wir auf Hainan zum ersten Mal die 90km Marke geknackt hatten, nahmen wir die 100km in Angriff. So fuhren wir vom kleinen Küstendorf Yinggehai direkt in die südlichste Stadt Chinas: Sanya. Am Schluss standen genau 101km auf dem Fahrradcomputer und wir waren ganz schön Müde nach 6.5h im Sattel…
Sanya ist der beliebteste Ort auf Hainan mit hohen Gebäuden und hohen Preisen… Es gibt jedoch verschiedene schöne Strände, luxuriöse Hotels und gute Restaurants. Wir genossen einen Pausentag in einem nicht ganz so luxuriösen Zimmer, um uns auf die zweite Hälfte unserer Runde um Hainan vorzubereiten. Der Plan sieht nämlich immer noch gleich aus: Ende Januar müssen wir in Hong Kong sein, und bis dahin sind es noch mehr als 1000 km…
Herzlichen Dank, dass wir aus der Ferne mitreisen dürfen. Eure Beiträge sind immer mega spannend. Beeindruckend, was ihr leistet.
Wir wünschen euch weiterhin gute Fahrt in ein glückliches, gesundes 2025 mit vielen schönen Erlebnissen.
Barbara und Peter
Hallo zusammen
Vielen Dank für euren Kommentar. Es freut uns, dass wir so viele Leserinnen und Leser haben, die unsere Reise mitverfolgen 🙂
Wir wünschen euch auch alles Gute für das neue Jahr!
Liebe Grüsse
Damian & Vivi
hallo zusammen,
eure reise ist sehr abwechslungsreich!
unseren respekt habt ihr für diese leistung.
wir wünschen euch alles gute fürs neue jahr. mögen glück und gesundheit euch weiterhin auf der reise begleiten.
alles guete und liebe grüsse
heidi und fritz
Wünsche weiterhin gute fahrt und spanende Reise berichte alles gute im Neuen Jahr
Liebe Grüsse
Beatrice